Beim Blick in die Regale der Buchhändler könnte man meinen, viele Chefs und Kollegen gehörten in die Zwangsjacke gesteckt. Ich arbeite noch immer in einem Irrenhaus, heißt ein aktueller Bestseller unter den Jobratgebern. Daneben steht : „Am liebsten hasse ich Kollegen“, Raus aus dem Irrenhaus. 101 Tipps, wie Sie den Bürowahnsinn überleben. „Wer Kollegen hat, braucht keine Feinde mehr“. Die Büros scheinen zum Irrenhaus der Nation geworden zu sein. Es gibt kaum eine Verrücktheit, die man nicht in zig Unternehmen genauso findet, bestätigt Karrierecoach Martin Wehrle. Mit der richtigen Therapie, kann man dem entkommen. Als Wehrle vor eineinhalb Jahren sein Buch “ Ich arbeite in einem Irrenhaus“ mit kleinen Episoden vorstellte, war Ihm nicht klar, was er damit lostreten würde. Rund 2000 Zuschriften von Lesern bekam er, die aus Ihren alltäglich Bürowahnisnn berichteten, der den Stoff für einen zweiten Band lieferte.
Da geht es um den Chef, der seine Mitarbeiter nicht über einen Bombenalarm informierte, weil er den Arbeitsausfall nicht in der Bilanz verbuchen wollte. Oder um den Manager, der erst die Putzfrau einspart und dann das teure Vertriebsteam zum Putzen verdonnert. Oder um die Firma, die aus Kostengründen weniger Arbeitsplätze als Mitarbeiter hat und in Kauf nimmt, das einige immer unbeschäftigt in der Ecke stehen. Vorallem aber geht es um den Zickzackkurs und die Kurzsichtigkeit vieler Entscheidungen, die die Mitarbeiter auf die Palme bringt. Wo früher überlegt gehandert wurde, tobt heute purer Aktionismus. Viele Manager fühlen sich durch die Börsengläubigkeit und aus Sorge vor den nächsten Quartalszahlen genötigt, ständig etwas Neues zu präsentieren. Zur Not wird eben restrukturiert, obwohl bislang alles super lief. Viele Firmen leiden unter ADHS-dem sogenannten Zappelphilippsyndrom. Auch wenn die Mitarbeiter noch so über ihre Chefs schimpfen- denen gehe es häufig nicht besser, weiß Michael Paul, Autor des Buches “ Raus aus dem Irrenhaus“! Die Spielregeln der Märkte ändern sich rasch und schnell. Technologiezeiten werden kürzer, die Erwartungen der Eigentümer an das Topmanagement sind extrem hoch, und wer die nicht erfüllt, fliegt raus. Das prägt den Führungsstil. Die Topmanager sind total verunsichert und geben diesen Druck nach unter weiter, jedes Führungsteam verstärkt ihn noch einmal und bei den Mitarbeitern unten kommt das reinste Chaos an. Doch was hilft gegen so viele scheinbar Irre um einen herum. Ersteinmal muss man sich klarmachen: Ich bin ja nicht nur in diesem Irrenhaus drin, ich arbeite ja auch selbst daran mit, meint Wehrle. Ich kann zwar die Großwetterlage nicht ändern, denn die wird vom Management gemacht. Aber ich kann in meinem Arbeitsbereich kleine Schirme der Vernuft aufspannen. Wer Bündnisse mit den Kollegen und den direkten Vorgestzten schmiede, habe Chancen, in seinem Bereich einigermaßen unbehelligt vom Irrsinn der Chefetage zu arbeiten.
Letztlich gebe es zwei verschiedene Arten, mit denen die Menschen auf den alltäglichen Bürowahnsinn reagierten, analysiert Managementberaterin Theresia Volk, und beide machten das Problem noch schlimmer. Der Größenwahnsinnige sagt, mit dem richtigen Zeitmanagement und dem richtigen Coaching und dem richtigen Einsatz ist das alles schaffbar. Der Ohnmächtige wundert sich schon gar nicht mehr darüber, das jeden Tag eine andere Sau durch Dorf getrieben wird. Der duckt sich nur weg, lästert vielleicht und wartet, dass die Katastrophen möglichst an Ihm vorbeiziehen. Doch wer etwas dafür tun wolle, den Wahnsinn zu bekämpfen, sollte sich offen mit der Unternehmenskultur beschäftigen und Führungskräfte auf Probleme ansprechen. Gerade wenn das Unternehmen zu einem Irrenhaus geworden ist, brauchen alle Mitarbeiter mehr Mut, damit sich daran etwas ändern kann, so Paul. Zum Beispiel könne ein Vertriebsmitarbeiter seinen Chef darauf hinweisen, das ein wichtiger Kunde zunehmend genervt auf den Zickzackkurs im Unternehmen reagiere.
Darum merke: Menschen kann man auf Dauer nicht mit Angst motivieren, sondern mit Zielen und persönlicher Anerkennung. Wir können die Windrichtung nicht bestimmen, aber wir können die Segel richtig setzen.
Das sollte allen Entscheidungsträgern und Aktionären zu denken geben. Nur wer vernüftig mit Menschen und Firmen umgeht, kann auf Dauer nachhaltig Kapital daraus schlagen.